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Die Schöne Helena 
und die offene Tür

 

Jede Katze, die ersucht wird, ein Zimmer so schnell wie möglich zu betreten, bekommt die Schwellenstarre. Sie versteift ihre Beine, hisst das Schwänzchen , prüft die Atmosphäre und stellt ihren Motor auf langsam. Am liebsten setzte sie sich nieder, um zu diskutieren.

Andererseits: Jede Katze, die ersucht wird, das Zimmer so schnell wie möglich zu verlassen, muß erst mal überlegen, welches Risiko sie da eingeht. So mir nichts, dir nichts durch die offene Türe? Hinaus? Und wenn da draußen Katzenfresser lauern?

Das will bedacht sein. Bitte nicht so eilig. Es pressiert nicht. Sie hat 5 Minuten vor der verschlossenen Türe gemaunzt. Sie wollte hinaus. Oder herein. Es hat pressiert. Jetzt ist die Tür offen. Jetzt erbittet sie Bedenkzeit.

Schneller als mit Gedankenschnelle kann die Katze Mäuse fangen, das hat der Mensch genau gesehen. Überhaupt als Tier ist sie rasend schnell. Aber da, wo der Mensch Gedankenschnelle von ihr erwartet,

erlaubt sie sich Trödeleien, die er nicht einmal bei dem Damenbesuch der schönen Helena unwidersprochen hinnähme. Verhielte die schöne Helena im Türspalt zwischen meinem wohltemperierten Zimmer und dem zugigen Korridor den Schritt, um lange vor sich hin zu grübeln, so sähe ich sie an mit dem männlichen Drängelblick: "raus oder rein". Eine Schönheit, die zwischen Tür und Angel stecken bleibt erregt die Galle und sonst nichts. Das ist der Punkt, in dem Mensch und Katze niemals zusammen kommen. Tut mir Leid.

Ich kann mich noch nicht beruhigen. Die schöne Zimmerluft geht flöten, ich habe meine Zeit nicht gestohlen. Die Katze wollte herein -gut. Ich bin extra aufgestanden. Ich habe die Tür aufgerissen wie ein Pförtner - und was nun? Die Katze besinnt sich. Durch diesen kleinen Spalt da? Sie sieht skeptisch hoch, schiebt den Kopf versuchsweise etwas vor und studiert mich. Wenn die Katze mich studieren will, soll sie ins Zimmer kommen, aber mit Beeilung, denkt der Mensch da oben und zischt herab: "Mach schon, Puß!" Puß, der hat heute wieder eine Laune wie die Katz, wenn's donnert. Sie weicht dezent zurück. Sie schlägt das hochgerollte Schwänzchen unter, setzt sich darauf und studiert die Chance zwischen Tür und Mensch. Dann steht sie zögernd auf, streckt sich, schiebt den Kopf etwas vor....

In seiner Ungeduld drückt der Mensch die Tür etwas an. Soll sie sich doch beeilen! Die Katze fährt mit dem Kopf zurück. In diese Falle geht sie nicht!. Sie blickt zerstreut über die Schulter in das kalte Nichts des Korridors zurück: "Eigentlich wollte ich ja rasch noch eine dringende Besorgung machen. Soll ich wirklich kommen? Das will ich mir erst überlegen."

Manchmal bewährt es sich, die Tür weit aufzureißen, sich dahinter zu verstecken und die Katze wie eine grübelnde Märchenfee eintreten zu lassen:  manchmal hält sie wirklich in dieser Form ihren Einzug, den schnellsten, der Katzen über ihre Schwellenstarre hinwegbringt. Die zärtlichsten Typen unter ihnen können es nicht unterlassen, sich zunächst anerkennend über das Wiedersehen mit dem Zimmer am Türstock zu reiben und die Augen zu schließen. Dem Mensch in seiner Ungeduld ist nach allem anderen als nach Augenschließen zumute. Er und die Katze  schweben in diesem Moment in größter Gefahr, dass der Dämon der Nervosität die menschliche Hand dazu verleitet, die Tür zuzuschlagen. Dann ereignet sich, was die Katze instinktiv befürchtet hat: ihr Schwanz wird eingeklemmt. Sie schreit, faucht auf oder versteckt sich unter dem nächsten Schrank. Alle Menschen sind Rowdys. Ihre Skepsis hat sich bestätigt. Man passiert nicht ungestraft eine Tür in höchster Hast. Es ist und bleibt ein Vabanquespiel. Es gibt nichts Falscheres als den Menschen.

Keine Katze tritt so unüberlegt wie ein Hund in ein Zimmer. Sich vor die Türe pflanzen und jammern. Das ist die Ouvertüre. Die Feierlichkeit des Einzugs rituell gestalten, stutzig werden, nicht richtig mögen, sich das Ganze noch mal durch den Kopf gehen lassen, das ist der erste und zweite Akt. Plötzlich pfeilgeschwind hineinhuschen, das ist der dritte. Besitzt man zwei Katzen und ist die eine in der Stube, während die andere hinter der Tür um Einlass quengelt, dann will die Stubenkatze hinaus, um die Korridorkatze zu begrüßen. Öffnet man die Tür um die Begegnung zu ermöglichen, dann spaziert die Korridorkatze herein, die andere an ihr vorbei hinaus. Schließt man die Tür, so wiederholt sich das Spazierspiel , nur mit umgekehrten Katzen. Wie die Figuren einer Spieluhr spazieren sie aneinander vorbei.

Der Mensch wäre anders. Er wäre genau wie der Hund. Bekäme Venus Kallipygos  zwei, drei Mal eine Tür auf das schöne Hinterteil geknallt, weil ihr Auftritt zu schläfrig vor sich ging, so überschritte sie Schwellen nur noch im Stafettenlauf.

Allerdings, die kätzische Türschwellenstarre funktioniert nur dann, wenn eine Katze dringend gebeten hat, schleunigst herein oder hinaus gelassen zu werden. Soll sie absolut nicht hinaus, so bringt sie es fertig, schneller als ein Gespenst durch den Türspalt zu huschen. Kaum möglich, ihr mit den Blicken nachzukommen. Sie macht sich einfach unsichtbar und entwischt durch eine Ritze.

Vielleicht studiert sie gerade deshalb ihren Eintritt so gewissenhaft, um darüber ins Reine zu kommen, wie man am schnellsten wohl wieder hinauswetzt, wenn der Mensch das nicht wünscht.

Eugen Skasa-Weiss                                                                                            zurück